Tilidin ist ein synthetisches Opioid, welches in der Medizin als Schmerzmittel eingesetzt wird. Heutzutage sind fast nur Tilidin-Präparate mit Naloxon-Beimischung erhältlich. Naloxon ist ein Opioid-Antagonist. Das heißt, dass Naloxon die Wirkungen, die durch Opiate und Opioide verursacht wird, teilweise oder ganz aufhebt. Es kann aber auch Tilidin-Präparate ohne Naloxon-Beimischung geben. Die eigentlich wirksame Substanz von Tilidin ist Nortilidin, welches bei der Verstoffwechselung von Tilidin in der Leber erzeugt wird.
Tilidin ist ein verschreibungspflichtiges Schmerzmittel, was bedeutet, dass es grundsätzlich nur durch eine/n Arzt/Ärztin verschrieben, durch eine Apotheke verkauft und nur aufgrund einer Verschreibung eingenommen werden darf.
Tilidin wird im BtMG unter Anlage III (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgelistet. Kombinationspräparate mit Naloxon unterliegen nur dann nicht dem BtMG, wenn sie in festen Zubereitungen (z.B. Tabletten) mit verzögerter Wirkstofffreigabe (Retardarzneimittel) vorliegen. Das bedeutet unter das BtMG fällt Tilidin nur, wenn es in nicht fester Zubereitung (z.B. Tropfenform) mit schneller Wirkstofffreisetzung vorliegt. Dann wird nach dem BtMG sowohl der Besitz als auch der Handel mit teils hohen Straferwartungen geahndet.
Tilidin an sich hat kaum opioidtypische Wirkung und wird erst bei seiner ersten Passage in der Leber zu Nortilidin, dem eigentlichen opioiden Wirkstoff, verstoffwechselt. Die schmerzlindernde Wirkung tritt, je nach Applikationsform (Tabletten, Tropfen etc.), im Zeitraum von 10 bis 15 Minuten ein und hält ungefähr 4 bis 6 Stunden an.
Die Verwendung von Tilidin als Rauschmittel wird dadurch eingeschränkt, dass es in der Regel mit dem Opioidantagonisten Naloxon fix kombiniert ist und nicht retardierte Präparate sowie Monopräparate nur auf Betäubungsmittelrezept zu beziehen sind. In Deutschland kommen auf alle Fertigarzneimittel pro 50 mg Tilidin je 4 mg Naloxon hinzu.
Tilidin wird i.d.R. oral eingenommen. Es kann in Tablettenform, als Kapsel oder als Flüssigkeit eingenommen werden.
Die niedrigste Dosierung pro Tablette liegt bei 50mg Tilidin mit beigemischten 4mg Naloxon und ist in 50er Schritten bis zu einem Wirkungsgrad von 200mg mit 16mg Naloxon erhältlich. Ein Pumphub der flüssigen Variante enthält 12,5mg Tilidin und 1 mg Naloxon und kann in fortlaufenden Schritten eigenständig dosiert werden.
Die nachfolgend beschriebene Wirkung bezieht sich hauptsächlich auf den Konsum von Tilidin zu Rauschzwecken.
Eine euphorisierende, antriebssteigernde Wirkung setzt bei der gängigen 50mg Version nach Konsum einer ½ bis 1 Tablette (25 – 50mg) ein. Die Maximaldosis pro Konsumeinheit sollte 100mg nicht übersteigen. Es ist besonders wichtig immer auf die Dosierung der Tabletten zu achten! In der Regel wird allerdings höchstens die 100mg Variante verschrieben. Hier löst demnach ¼ bis zu ½ Tablette einen Rausch aus.
Höhere Dosierungen sind bis zu einer Menge von 400mg realisierbar. Danach entfaltet das Naloxon seine Wirkung und dämmt den Rausch ein. Eine weitere Steigerung ist nicht möglich.
Da sich die Toleranzentwicklung bei Tilidin sehr schnell intensiviert, wird die genannte Dosis spätestens nach 2-3 Tagen ohne Konsumpause nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielen. Nach 1-3 Wochen Abstinenz sollte die Toleranz wieder gesunken sein.
Es können häufig Blutdruckabfälle, Benommenheit, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Nervosität und gelegentlich Halluzination und euphorische Stimmung auf auftreten. Die letzten beiden Nebenwirkungen spielen eine große Rolle beim Konsum von Tilidin zu Rauschzwecken. In höheren Dosierungen kann es zu Schwindel und einer verwaschenen Sprache kommen. Es können darüber hinaus Krampfanfälle, Kreislaufprobleme und Gliederschmerzen auftreten.
Reines Tilidin (ohne Naloxon) in hohen Dosierungen kann zu Atemlähmungen führen, da der Antagonist (Gegenspieler) Naloxon nicht wirken und das Tilidin sich somit frei entfalten kann. Als weitere unerwünschte Wirkung wird oft vermehrtes Schwitzen beobachtet.
Regelmäßiger Tilidinkonsum führt zu einer psychischen und physischen Abhängigkeit und einer raschen Toleranzentwicklung. Der Entzug wird von Konsument*innen ähnlich unangenehm wie bei Heroin beschrieben. Er dauert zwar länger, ist aber nicht so intensiv. Mögliche Langzeitnebenwirkungen können Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Gewichtsverlust, Muskelabbau, Impotenz, sexuelles Desinteresse und Depressionen sein.
Die Kombination von zwei oder mehr Substanzen ist schwer kalkulierbar. Je nach Kombination kann sich die Wirkung verstärken, potenzieren oder sich in unterschiedliche – und auch unerwünschte Richtungen entwickeln. Durch Mischkonsum erhöht sich das Risiko unangenehmer Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen. Wenn du dich trotzdem für Mischkonsum entscheidest, solltest du idealerweise Erfahrungen mit jeder der einzelnen Substanzen haben und auf besonders riskante Kombinationen verzichten.
Tilidin & Alkohol: Diese Kombination führt zu einer Verstärkung und Verlängerung des Rausches sowie zu einer hohen Kreislaufbelastung. Außerdem kann es zu einer Atemdepression kommen, die zum Tod durch Atemlähmung führen kann.
Tilidin & andere Opioide: Der sedierende Effekt verstärkt sich, Wechselwirkungen sind schwer abschätzbar. Daher ist vom Mischkonsum abzuraten.
Tilidin & Benzodiazepine: Es kann zu einem narkoseähnlichen Zustand kommen. Koma und Atemlähmung können mögliche Folgen sein. Lebensgefahr!
Neuroleptika und einige Allergiemittel verstärken die bewusstseinstrübende Wirkung von Tilidin.
Tilidin & Cannabis: Bisher gibt es dazu kaum gesicherte Erkenntnisse. Es könnte jedoch zu einer Verstärkung der sedierenden Wirkung und einer erhöhten Kreislaufbelastung kommen.
Wenn du dich im Wissen um gesundheitliche und etwaige strafrechtliche Risiken dennoch zum Konsum von Tilidin entscheidest, solltest du, zusätzlich zu den allgemeinen Safer Use Regeln, folgendes beachten:
Bei jeder Person wirkt Tilidin unterschiedlich intensiv, taste dich deshalb langsam an eine Dosis heran, die deinen Vorstellungen entspricht und behalte die rasche Toleranzentwicklung kritisch im Auge.
Der Erstkonsum ist in vielen Fällen mit Übelkeit verbunden. Denke daran, dein Setting entsprechend anzupassen (entspanntes Umfeld, Toilette in der Nähe). Konsumiere besser nicht allein, damit jemand in der Nähe ist, der im Notfall Hilfe holen und leisten kann.
Wenn Tilidin verschrieben und eingenommen wird, ist das Führen von Kraftfahrzeugen bis zu einer bestimmten Dosierung erlaubt (siehe Beipackzettel und ärztliche Hinweise). Eine höhere Dosierung macht die Konsument*innen fahruntauglich.
Bei Tilidin vom Schwarzmarkt kann man sich nie wirklich sicher sein, welche Dosierung die Tabletten (50mg/100mg/150mg/200mg) haben oder ob der flüssigen Variante Naloxon beigemischt ist. Sollte Naloxon fehlen, was bei manchen Präparaten aus anderen Ländern der Fall sein könnte, kann es bei hohen Mengen zu gefährlichen Überdosierungen kommen, welche zum Tod durch Atemlähmung führen können. Außerdem kann das Medikament anders zusammengesetzt oder gestreckt sein. Mögliche Wechselwirkungen können dann nicht mehr abgeschätzt werden.
Flüssiges Tilidin unbedingt mit der Pumpe dosieren! (1 Hub = 5 Tropfen = 12,5mg Tilidin + 1 mg Naloxon). Wenn sich an dem Fläschchen keine Pumpe befindet, kann alternativ auch eine Dosierungsspritze verwendet werden. Aber Achtung: wenn sich das Medikament nicht mehr in der Originalflasche befindet, könnte es vom Schwarzmarkt stammen!
Heroinkonsument*innen oder Gebraucher*innen sonstiger Opiate sollten auf Tilidin in Verbindung mit Naloxon auf jeden Fall verzichten. Das beigemischte Naloxon verdrängt nahezu alle Opiate von den Rezeptoren, blockiert diese und verursacht schwere Entzugserscheinungen oder verstärkt bereits bestehende. Bei einer Injektion geschieht dies plötzlich und kann lebensbedrohlich sein. Demnach eignet sich handelsübliches, naloxonhaltiges Tilidin keinesfalls als Ersatzdroge oder für die Entzugsbehandlung!
Bei schweren Leberfunktionsstörungen oder bestehenden Vorschädigungen, sollte auf den Konsum von tilidinhaltigen Präparaten verzichtet werden.
Die Wirkung von Tilidin kann sich bei körperlicher Belastung (Sport, Tanzen, etc.) verstärken. Wenn Schwindelgefühle auftreten, sollte man sich einen Ort zum Entspannen suchen. Besser gleich von vornherein auf Anstrengungen verzichten.
Sollten nach dem Absetzen von Tilidin oder bei Konsumpausen Entzugserscheinungen auftreten, ist es ratsam sich ärztliche Hilfe zu suchen.
Wenn du Tilidin verschrieben bekommen hast und Nebenwirkungen auftreten, solltest du deine/n Arzt/Ärztin umgehend informieren. In der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen ist bei Erkrankungen, die nicht lebensbedrohlich sind, der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 (deutschlandweit, ohne Vorwahl, kostenlos im Festnetz und per Handy) erreichbar.
Plane ausreichend Konsumpausen ein, damit du dich erholen kannst!
Bitte scheue dich nicht, gerade bei Drogennotfällen - aus Angst dass zum Rettungswagen/Notarzt/Notärztin auch die Polizei mitkommt – einen Notruf über die 112 abzusetzen! Wenn du am Telefon lediglich die wahrnehmbaren Symptome beschreibst und z.B. allgemein von einer vermuteten Vergiftung sprichst, kannst du die Polizeibeteiligung häufig umgehen. Beim Eintreffen der Rettungskräfte vor Ort stehen diese unter Schweigepflicht und du kannst ggfs. auf deines Wissens nach konsumierte Substanzen eingehen.
Der Konsum von Tilidin kann zu Erbrechen führen. Tritt diese Nebenwirkung bis zu 4 h nach Einnahme der Pille auf, gelangt u.U. zu wenig Wirkstoff der Pille in den Blutkreislauf, so dass eine Schwangerschaft möglich ist.
Während der Schwangerschaft sollte auf Tilidin verzichtet werden, es sei denn auftretende Schmerzen sind unerträglich und die Ärzte halten mögliche Alternativen für noch riskanter.
Ist die Einnahme von Tilidin während der Stillphase unausweichlich, wird empfohlen während dieses Zeitraums abzustillen.